Eigenvektoren und Eigenwerte

Gibt es einen Vektor \( X \), der mit einer gegebenen Matrix \( A \) multipliziert, bis auf einen konstanten Faktor sich selbst ergibt?

\(A \cdot X = \lambda \cdot X\) Gl. 247

Existiert ein solcher Vektor, heißt er Eigenvektor von \( A \). Das \( \lambda \) wird Eigenwert zu \( A \) genannt.

Zur Lösung dieser Aufgabe wird Gl. 247 umgestellt:

\(A \cdot X - \lambda \cdot X = \left( {A - \lambda \cdot I} \right) \cdot X = 0\) Gl. 248

Wenn der Vektor \( X \) von Null verschieden ist (nichttriviale Lösung), muss

\(A - \lambda \cdot I = 0\) Gl. 249

sein. Daraus folgt:

\(\begin{array}{l}A - \lambda · I & = \left( {\begin{array}{cc} { {a_{11} } }&{ {a_{12} } }&{...}&{ {a_{1K} } } \\ { {a_{21} } }&{ {a_{22} } }&{...}&{ {a_{2K} } } \\ {...}&{...}&{ {a_{ik} } }&{...} \\ { {a_{I1} } }&{ {a_{I2} } }&{...}&{ {a_{IK} } } \end{array} } \right) - \left( {\begin{array}{cc}\lambda &0&{...}&0\\0&\lambda &{...}&0\\{...}&{...}&\lambda &{...}\\0&0&{...}&\lambda \end{array} } \right)\\\\ & = \left( {\begin{array}{cc}{ {a_{11} } - \lambda }&{ {a_{12} } }&{...}&{ {a_{1K} } }\\{ {a_{21} } }&{ {a_{22} } - \lambda }&{...}&{ {a_{2K} } }\\{...}&{...}&{ {a_{ik} } - \lambda }&{...}\\{ {a_{I1} } }&{ {a_{I2} } }&{...}&{ {a_{IK} } - \lambda }\end{array} } \right)\end{array}\) Gl. 250

Diese Matrix verschwindet, wenn auch ihre Determinante verschwindet:

\(\det (A - \lambda \cdot I) = \left| {\begin{array}{cc}{ {a_{11} } - \lambda }&{ {a_{12} } }&{...}&{ {a_{1K} } }\\{ {a_{21} } }&{ {a_{22} } - \lambda }&{...}&{ {a_{2K} } }\\{...}&{...}&{ {a_{ik} } - \lambda }&{...}\\{ {a_{I1} } }&{ {a_{I2} } }&{...}&{ {a_{IK} } - \lambda }\end{array} } \right| = 0\) Gl. 251

Nach dem Auflösen der Determinante entsteht ein Polynom in l - das charakteristische Polynom – dessen Grad mit dem Rang der Matrix übereinstimmt:

\({\lambda ^R} + {c_{R - 1} }{\lambda ^{R - 1} } + \,\,....\,\, + {c_1}\lambda + {c_0} = 0\) Gl. 252

Nach dem Fundamentalsatz der Algebra gibt es für ein Polynom des Grades R auch R Lösungen für l. Dabei können mehrfache, aber auch komplexe Lösungen auftreten! Für jedes gefundene l kann nun Gl. 248 gelöst werden:

\( \left( {A - {\lambda _k} \cdot I} \right) \cdot X = 0 \quad k = 1...K \) Gl. 253

Im Ergebnis wird je ein Eigenvektor Xk zum Eigenwert lk gefunden.

\(\begin{array}{l}\left( { {a_{11} } - {\lambda _k} } \right) \cdot {x_1} + {a_{12} }{x_2} + .... + {a_{1K} }{x_K} = 0\\{a_{21} }{x_1} + \left( { {a_{22} } - {\lambda _k} } \right) \cdot {x_2} + .... + {a_{2K} }{x_K} = 0\\....\\{a_{I1} }{x_1} + {a_{I2} }{x_2} + .... + \left( { {a_{IK} } - {\lambda _k} } \right) \cdot {x_K} = 0\end{array}\) Gl. 254

Alle Störungsterme verschwinden (homogenes Gleichungssystem), folglich ist das Gleichungssystem überbestimmt. Zur Lösung darf also eine Gleichung gestrichen und ein xk frei gewählt werden. Mit x1 = 1 ergibt Gl. 254:

\(\begin{array}{l}\left( { {a_{22} } - {\lambda _k} } \right) \cdot {x_2} + .... + {a_{2K} }{x_x} = - {a_{21} }\\....\\{a_{I2} }{x_2} + .... + \left( { {a_{IK} } - {\lambda _k} } \right) \cdot {x_x} = - {a_{I1} }\end{array}\) Gl. 255

Dieses Gleichungssystem ist lösbar und liefert den gesuchten Eigenvektor Xk zum Eigenwert lk.

Beispiel:

Gegeben sei die Matrix \(A = \left( {\begin{array}{cc}1&2\\2&5\end{array} } \right)\). Gesucht sind die Eigenwerte und die dazu gehörenden Eigenvektoren.

Lösung

Das charakteristische Polynom wird aus dem Bestimmungsgleichungssystem nach Gl. 250 abgeleitet:

\( A - \lambda · I = \left( {\begin{array}{cc}{1 - \lambda }&2\\2&{5 - \lambda }\end{array} } \right) = 0 \quad \Rightarrow \quad \left( {1 - \lambda } \right) · \left( {5 - \lambda } \right) - 2 · 2 = 0 \)

Ausmultiplizieren ergibt eine quadratische Gleichung in l:

\({\lambda ^2} - 6\lambda + 5 - 4 = 0\)

Der Wurzelsatz von Vieta liefert die beiden gesuchten Eigenwerte der Matrix A:

\( {\lambda _{1,2} } = 3 \pm \sqrt {9 - 1} = 3 \pm 2\sqrt 2 \)

Mit diesen Werten kann das Gleichungssystem nach Gl. 255 gelöst werden, wobei \({x_1} = 1\) gewählt wird.

\( \begin{array}{l}\left( {5 - 3 \mp 2\sqrt 2 } \right) \cdot {x_2} = - 2 \quad \\ \Rightarrow \quad \text{1. Eigenvektor } {x_1} = 1; \quad {x_2} = - \frac{2}{ {2 - 2\sqrt 2 } } = - \frac{1}{ {1 - \sqrt 2 } } = {\rm{2} }{\rm{,41421} } \\ \quad \\ \Rightarrow \quad \text{2.Eigenvektor } {x_1} = 1; \quad {x_2} = - \frac{2}{ {2 + 2\sqrt 2 } } = - \frac{1}{ {1 + \sqrt 2 } } = - {\rm{0} }{\rm{,41421} }\end{array} \)

Also lauten die Eigenvektoren

\( {X_1} = \left( {\begin{array}{cc}1\\{2,41421}\end{array} } \right); \quad {X_2} = \left( {\begin{array}{cc}1 \\ {-0,41421}\end{array} } \right) \)

Die Bestimmung der Eigenwerte aus dem charakteristischen Polynom ist elementar nur für Matrizen mit einem Rang bis max. 3 sinnvoll möglich. In der Numerischen Mathematik gibt es elegante Verfahren zur Bestimmung der Eigenwerte von Matrizen mit höheren Rängen.

Eigenvektoren (Vielfache)

Ist X ein Eigenvektor der Matrix A, dann sind auch beliebige Vielfache von X Eigenvektoren von A. Das Verhältnis der Komponenten der Eigenvektoren untereinander bleibt von einer Multiplikation mit einer Konstanten unberührt.

Beweis:

Es sei ein Eigenvektor X zum Eigenwert l einer Matrix A gegeben. Dann gilt für jeden reellen Faktor \(k \ne 0\):

\(A \cdot kX = kA \cdot X\) Gl. 256

Nach der Bestimmungsgleichung für Eigenwerte Gl. 247 kann die rechte Seite ersetzt werden

\(kA \cdot X = k\lambda X\) Gl. 257

Einsetzen in Gl. 256

\(A \cdot kX = k\lambda X = \lambda (kX)\) Gl. 258

Das Vertauschen der Faktoren auf der rechten Seite ändert den Wert nicht! Damit liegt wieder die Bestimmungsgleichung des Eigenwertes Gl. 247, allerdings für den Eigenvektor kX vor. Also istkX ebenso Eigenvektor von A wie X selbst.

Von dieser Eigenschaft wird Gebrauch gemacht, um Eigenvektoren auf ihren Betrag zu normieren. Der normierte Eigenvektor \(\overline X \) wird entsprechend Gl. 259

\(\overline X = \frac{X}{ {\left| X \right|} } = \frac{X}{ {\sqrt {\sum {x_i^2} } } }\) Gl. 259

Beispiel:

Die im vorangegangenen Beispiel gefundenen Eigenvektoren

\( {X_1} = \left( { \begin{array}{cc} 1 \\ {2,41421} \end{array} } \right); \quad {X_2} = \left( { \begin{array}{cc} 1 \\ {-0,41421} \end{array} } \right) \)

werden normiert zu

\( {\overline X _1} = \frac{1}{ {\sqrt {1 + {\rm{5} }{\rm{,828} } } } } \left( {\begin{array}{cc}1\\{2,41421}\end{array} } \right) = \left( {\begin{array}{cc}{ {\rm{0} }{\rm{,3827} } }\\{ {\rm{0} }{\rm{,9239} } }\end{array} } \right); \\ {\overline X _2} = \frac{1}{ {\sqrt {1 + {\rm{0} }{\rm{,171} } } } }\left( {\begin{array}{cc}1\\{ - 0,41421}\end{array} } \right) = \left( {\begin{array}{cc}{ {\rm{0} }{\rm{,9239} } }\\{ {\rm{ - 0} }{\rm{,3827} } }\end{array} } \right) \)

Die Beträge der Vektoren sind gleich

\({\left| { { {\overline X }_1} } \right|^2} = {\left| { { {\overline X }_2} } \right|^2} = {\rm{0} }{\rm{,923} }{ {\rm{9} }^{\rm{2} } } + {( \pm {\rm{0} }{\rm{,3827)} }^{\rm{2} } } = 1\)